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Mittwoch, 2. Dezember 2009

Atomares Regividerm entdeckt?

So, der Dezember hat noch gar nicht richtig angefangen, und schon treibt mich der innere Drang wieder zum bloggen.

Thema Nummer eins ist eine personelle Umbesetzung im Umweltministerium. Dort holt Minister Rüttgen (CDU), vorab mit Lorbeeren für seine Sachlichkeit und fachliche Qualifikation beweihräuchert, ausgerechnet einen Atomindustriemanager als Chef der Behörde für Reaktorsicherheit ins Boot. Auch wenn man Herrn Hennenhöfer NICHT unterstellen möchte, das ihn noch Loyalitäten mit der Atomindustrie und/oder seinem alten Arbeitgeber verbinden, so muss man dem Minister jedoch mindestens mangelnde Sensibilität vorwerfen. Sicher, Herr Hennenhöfer kennt die Sicherheit einiger deutscher Kernreaktoren besser als manch Mitarbeiter im Umweltministerium. Und es ist klar, das ein Greenpeace-Aktivist oder ein fanatischer Angehöriger der Anti Atomtod-Bewegung sicher ebenso polarisiert hätte. Aber hätte es ein Ingenieur, am besten vom TÜV nicht auch und vielleicht sogar besser getan? So bleibt ein schaler Beigeschmack. Immerhin ist der Mann Atomfachmann und dürfte es mit fortschreitendem Alter schwer haben, einen neuen Job zu finden... Ein Schelm, wer denkt, dass er nun eifrig daran arbeitet, auch außerhalb des Ministeriums einen sicheren Arbeitsplatz vorzufinden.

Thema Nummer zwei ist Regividerm, die vollkommen Nebenwirkungsfreie Creme gegen Psoriasis (Schuppenflechte) und Neurodermitis.
Am Anfang war der WDR. Er berichtete aufrüttelnd und polemisch über die Wundersalbe im rosa Gewand, dessen genialer Erfinder verarmt und verrückt in einem Krankenhaus in - ich glaube, der Schweiz - leben muss.
Nach dem erstaunlichen Bericht, der hunderttausenden Neurodermitis- und Psoriasis-Patienten Hoffnung gemacht hat, kam die Skepsis der Experten, die zu Recht die Faustformel aufstellten, dass alles was wirkt auch automatisch Nebenwirkungen hat. Nebenwirkungen haben muss, sonst hat es keine Eigenwirkung. Es wurden noch weitere Gründe genannt, und selbst ein Plasberg, der am Anfang seiner Sendung "Hart aber fair" noch unter dem Thema "Heilung unerwünscht" vom Wundermittel und der Heilung der Patienten sprach, musste am Ende klein beigeben und korrigierte sich selbst, dass Regividerm nur "Therapieunterstützend" sei.
Okay, eines der wichtigsten Argumente, das erklären sollte, warum der rosa Lutschbonbon nicht von der Pharmaindustrie vermarktet wurde war: Die Salbe kostet mit allen Bestandteilen höchstens zwei Euro. Das ist zu billig, damit macht sich die Pharmaindustrie die Preise für ihre anderen Medikamente kaputt. Dieses Argument hat sich ad absurdum geführt, denn für eine 100g-Tube werden fast dreißig Euro verlangt. Und die Inhaltsstoffe kosten immer noch höchstens zwei Euro.
Stirnrunzeln, nachdenken, noch mehr Stirnrunzeln.
Heute folgte ich mal wieder Bildblog.de in der Rubrik Sechs vor Neun. Dies führte mich zu einigen Meinungen und Berichten von Betroffenen zum Thema Revigiderm. Und ehrlich gesagt bin ich jetzt etwas verwirrt. Es fehlen natürlich Vergleichszahlen, aber im großen und ganzen scheint Regividerm zu wirken. In erster Linie natürlich für das Pharmaunternehmen, welches die Salbe vertreibt. Auffällig an den Meinungen ist, dass anfangs die Skeptiker und all jene zu Wort kamen, die der Salbe keine und/oder negative Wirkung bescheinigten. Danach übernahmen die Befürworter den Kommentarbereich und verteidigten ihre Wundersalbe teils vehement und als absoluten Heilsbringer.
...sacken lassen.
Normalerweise würde ich jetzt schreiben, dass jedem Menschen seine Heilung gegönnt sei. Normalerweise würde ich schreiben, dass, wenn die Salbe bei nur ein paar hundert Menschen wirkt, ihren Zweck erfüllt hat. Normalerweise würde ich mich freuen, wenn hier bei einem Patientenkreis von fünf Millionen Menschen in Deutschland einem Teil und vielleicht allen von ihnen Heilung bevorsteht. Und normalerweise würde ich schreiben, das ich als Nicht-Psoriasis- sowie Nicht-Neurodermitis-Betroffener eigentlich kein Recht habe, mich in diese Diskussion einzumischen. Normalerweise. Aber die harsche Art, wie die "geheilten" Poster in den Kommentaren des Blogs mit einem anderen User umsprangen, der eine fundierte wissenschaftliche Meinung zum Besten gab, disqualifiziert sie in meinen Augen als verlässliche Quelle. Da drängt sich mir wirklich der Verdacht auf, dass die Salbe - wie schon einige andere Produkte - (darunter, das weiß ich aus eigener Erfahrung, Abofallen im Internet betreibende Räuberfirmen) von Agenturen und Pharmamitarbeitern gehyped wird. Alleine die auffällig große Anzahl an Männern, die Psoriaris "im Genitalbereich haben" und endlich eine zuverlässige Behandlungsmethode mit Hilfe von Regividerm gefunden haben, verwundert mich. Mutig, mutig, meine Herren. Ich hätte das ums Verrecken nicht verraten.
Wie dem auch sei. NATÜRLICH wünsche ich jedem, der von Regividerm Linderung erfährt, diese Linderung. NATÜRLICH wünsche ich jedem, der von Regividerm Heilung erfährt, Heilung. ABER: Keine Wirkung ohne Nebenwirkung.
Aus persönlicher Kuriosität werde ich das Thema weiter verfolgen. Und eines weiß ich ganz genau: Die Wirksamkeit von Regividerm wird letztendlich an der Apothekenkasse entschieden. Wenn sie etwas taugt, wird sich die Creme selbst für einen kleinen Teil der Betroffenen wie geschnitten Brot verkaufen. Wenn sie nichts taugt, können die Befürworter noch so begeistert in den Blogs auftreten und das Heil von Regividerm verkünden, die Salbe wird sich nicht verkaufen. Aber einen Trost haben diese Leute ja. Selbst wenn das Pharmaunternehmen wegen Absatzproblemen die Produktion einstellt, ist das Rezept ja bekannt, und man kann sich die Salbe in der Apotheke bei einem Materialwert von fast zwei Euro zusammen mixen lassen.
Ist mir ohnehin schleierhaft, wieso der durchschnittliche Neurodermitis- und Psoriaris-Patient lieber das Fünfzehnfache für die fertige Salbe ausgibt.
Ich bin skeptisch. Und ich werde skeptischer, je euphorischer die Salbe beschrien wird. Deswegen blogge ich schließlich.
Ach, übrigens: Placebo, anyone?

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